Als ich eines Morgens aus dem Fenster schaute, wusste ich, jetzt ist es soweit. Von hier unten sah die Zugspitze wolkenfrei aus, so gut hatte es noch nie ausgesehen. Heute würde ich auf die Zugspitze fahren.

Um 8 Uhr fuhr die erste Seilbahn oder die Zahnradbahn zur Zugspitze hoch und ich wollte dabei sein. Möglichst noch bevor der Touristen Strom die Zugspitzplattform erreicht.

Um 8 Uhr stand ich an der Kasse und musste erfahren, dass die Seilbahn gerade gewatet wurde. Der Zug fuhr bis zum Schneeferner, die Gletscherstation unterhalb der Zugspitze. Dort konnte man in eine Seilbahn umsteigen, um ganz bis nach oben zum Fahren.


Alle Mitreisenden, vielleicht 10-12 Leute, fuhren gleich weiter. So stapfte ich ganz allein auf dem sterbenden Gletscher herum. Die Gastronomie, die auch auf dieser Ebene vorhanden war, war noch geschlossen. Auf dem Schneeferner, der sich in den Nördlichen- und Südlichen Schneeferner aufteilt, wird Wintersport betrieben. Seit 1955 wurden 5 Liftanlagen auf der Eisfläche errichtet. Für mich ist eine Kommerzialisierung, die so weit geht, eine unangenehme Vorstellung. Ehemals 300 ha groß, ist bis zum Jahr 2018 nur noch 18 ha übergeblieben. Ca. 10% davon fallen noch auf den Südlichen Schneeferner. Ihm hat man den Status Gletscher aberkannt, da er sich nicht mehr bewegt und weiter abschmilzt. Auch der Nördliche Schneeferner wird, so sagt es der Bayrische Gletscherbericht des Jahres 2021, in wenigen Jahren verschwunden sein. Auch der Nördliche Schneeferner soll nur noch eine Dicke von 20 m haben und 13 Hektar groß sein. Das Schmelzwasser versickert in der verkasteten Hochfläche und tritt im Reintal wieder an die Oberfläche. Hier werden die Flüsse Partnach, Loisach, Isar und Donau gespeist. Die Gletscher liegen frei von Bergschatten in der Sonne, der Schnee hat eine etwas dunklere Farbe angenommen und nimmt die Sonnenenergie dadurch stärker auf. Die durch den Klimawandel veränderten Umweltbedingungen arbeiten weiter an der Schneeschmelze. Der Gletscher wird in den Sommermonaten mit Planen abgedeckt. Das hilft nicht wirklich, der Erfolg liegt bei 1%, außerdem schüttet man Schnee von anderen Stellen hier auf.

Ich suche mir ein unberührtes Schneebrett, stelle mich in den Wind und lasse mich durchschütteln. Jetzt bin ich bereit für den letzten Schritt, die Zugspitze.


Die Seilbahn schwebt über das Schneeferner Haus nach oben. Früher war das ein Hotel, seit 1999 wird es als Umweltforschungsstation genutzt. Inzwischen gibt es auch Führungen über den Gletscher. Dort wird den Touristen der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Schneeschmelze erklärt.




Ich bin fasziniert von der Technik und wie man die Gebäude am Berg befestigt hat. Die Plattformen sind spärlich besucht und werden wegen des Windes auch schnell wieder verlassen. Die Fernsicht ist nicht ganz so gut, wie mein erster Eindruck war. Ich kann sehr weit sehen, dazwischen einige Wolken. Tief im Tal ein Blick auf den Eibsee. Jetzt kann ich mir gut vorstellen, wohin der Bergsturz seine Massen verteilt hat. Nachdem ich in alle Richtungen geschaut hatte, wollte ich mich an einem Kaffee aufwärmen.



Ich kam in den Eingang zum Kaffee und sah gleich rechts einen kleinen zusätzlichen Tresen. Ein schmaler Gang und am Ende eine deckenhohe Panoramascheibe. Links vom Gang Sitzplätze wie im Kino mit kleinem Tischchen. Die zweite Reihe war noch frei, je Reihe 4 Plätze. Ich stellte meinen Rucksack ab und gönnte mir einen Kakao mit Sahne.
Es war ganz still, wir nippten am Kaffee oder Kakao und sahen auf den Schneeferner herunter. Jeder schien seinen Gedanken nachzuhängen. Ein junges Mädchen setzte sich mit ihrem Kaffee seitlich neben die Scheibe, auf den Fußboden.
Warum die Zugspitze, warum Sehnsuchtsort?
Wollen wir nicht alle über den Dingen stehen? Über dem Alltag, nah an der Ewigkeit, die Schönheit und die gute Aussicht im Blick, . . . .?
Plötzlich brandet Unruhe in den Raum und wird immer mehr. Eine große Gruppe Chinesen sammelt sich laut schnatternd um den Tresen.
Es wird Zeit für mich zu gehen.
Ich stehe am Bahnsteig und warte auf die Entleerung des Bähnchens um zu Tal zu fahren. Mein Blick fällt auf ein großes Schild auf dem steht: Zugspitze TOP OF GERMANY.

MO
